Großbritannien: Berufungsgericht bestätigt neunmonatige Haftstrafe

Ausführlicher Bericht über die Verhandlung

von Payday

(05.05.2010) Für den 21. April hatte die Stop the War Coalition zu einer Mahnwache vor dem Royal Court in London aufgerufen. Etwa 30 Männer und Frauen zeigten dort ihre Solidarität mit Joe Glenton, der gegen die Verurteilung zu neun Monaten Haft Berufung eingelegt hatte. Payday verteilte ein Flugblatt. Der arabische und der persische Nachrichtendienst von BBC berichteten wie auch das iranische Fernsehen, das die Demonstranten interviewte.

Noch vor dem Verfahren hatte es eine internationale Kampagne gegeben, um Druck auf das Verteidigungsministerium auszuüben, die Anklage fallen zu lassen. Über 70 Briefe aus einem Dutzend Ländern gingen innerhalb weniger Tage ein.

Das Verfahren wurde auf den Nachmittag verschoben, so dass einige UnterstützerInnen die Möglichkeit hatten, sich mit der Familie von Glenton und John Tipple, seinem Rechtsberater, in der Cafeteria des Gerichts zu treffen. Joe wurde von zwei Soldaten in Uniform begleitet (die gleichen, die ihn am 5. März ins Gefängnis gebracht hatten und die in der Sendung von BBC Persian auftauchen). Joe schaute entspannt aus.

Payday erfuhr, dass er im Gefängnis sehr gut angesehen ist. Wenn er Briefe erhält, müssen diese von den Wächtern vor seinen Augen geöffnet werden. Die anderen Gefangenen freuen sich immer mit und wollen sie auch lesen.

Joe war vor Kurzem Opfer von Misshandlungen durch die Verantwortlichen des Gefängnisses gewesen. Die öffentlichen Proteste scheinen dies beendet zu haben.

Als es zum Gericht ging, sagte ein Polizist sehr laut zu Clare und Anne, Joes Ehefrau und seine Mutter: „Dieser Junge macht uns stolz.“

Die Verhandlung begann um 14.30 Uhr. Etwa 20 Personen waren als Zuschauer anwesend. Zu Beginn wurde Joes Fall von seinem Rechtsanwalt Nick Wrack zusammengefasst. Er sagte, der 27-jährige Joe Glenton sei 2004 zur Armee gegangen und habe 2006 sieben Monate Dienst in Afghanistan geleistet. Er sei aufgrund seiner „musterhaften“ Art, den Dienst und seinen Auftrag zu erfüllen, zum Obergefreiten befördert worden. 2007 habe er sich, nachdem ihm schon vor dem Ende des üblicherweise zwischen den Einsätzen liegenden Zeitraums von 18 Monaten gesagt worden sei, dass er erneut nach Afghanistan zu gehen habe, unerlaubt von der Einheit entfernt. Im Juni 2007 habe er einen Flug nach Bangkok gebucht. Während seiner unerlaubten Abwesenheit habe er in Australien geheiratet. Insgesamt sei er 737 Tage abwesend gewesen, bevor er sich selbst gestellt habe.

Er plädierte auf schuldig bezüglich der unerlaubten Abwesenheit, die am 5. März verhandelt und wegen der er zu neun Monaten Haft verurteilt und zum Gefreiten degradiert worden war. Gegen die Degradierung legte er keine Berufung ein.

Joe, der bereits 75 Tage seiner Haft verbüßt hat, litt unter Schlaflosigkeit und Alpträumen. Bei ihm wurde ein posttraumatisches Stresssyndrom (PTSD) aufgrund seines ersten Einsatzes im Kriegsgebiet diagnostiziert. Diese Diagnose war vom Militärgericht nicht in Frage gestellt worden.

Im Wesentlichen bezog sich die Berufung auf die Bedeutung der Krankheit bei der Urteilsfindung durch das Militärgericht. Der Verteidiger argumentierte, dass die PTSD nicht genügend berücksichtigt worden sei. Wegen der Diagnose PTSD sei es grundsätzlich falsch, eine Haftstrafe auszusprechen. Er forderte das Gericht auf, sie aufzuheben oder sie so zu verkürzen, dass eine sofortige Freilassung erfolgen könne.

Der Anwalt schilderte, wie Joe Glenton infolge seiner Erfahrungen in Afghanistan begonnen habe, den Krieg abzulehnen. Er sei jedoch von einem Feldwebel eingeschüchtert worden, als er ihm seine Zweifel mitgeteilt habe. Als er zu seinem Vorgesetzten ging, seien die Schikanen noch heftiger geworden.

Die Richter entschieden jedoch, dass die Haftstrafe weder prinzipiell falsch noch zu hoch gewesen sei. Der Vorsitzende des Gerichts sagte bei der Urteilsverkündung, die „entscheidende Frage bei der Urteilsfindung war die Auswirkung der Abwesenheit eines einzelnen Soldaten auf die Operationsfähigkeit der Einheit.“ Er fuhr fort: „Ein Soldat, der sich ohne Erlaubnis entfernt und sich so absichtlich seiner Pflicht entzieht – sofern die Pflicht Teil des Kriegsgeschehens ist –, verlässt nicht nur die Waffenkameraden und untergräbt deren Moral, sein Verhalten führt auch dazu, dass andere SoldatInnen, die entsandt werden, um ihn zu ersetzen, eben der Gefahr ausgesetzt sind, der er sich entzogen hat.“ Wenn hingegen kein Ersatz entsandt würde, nähme die Truppenstärke ab und die Gefahr für die verbliebenen Soldaten werde noch größer, als sie es ohnehin schon sei.

Der Richter ergänzte, dass der Feldwebel, der ihn angeblich eingeschüchtert habe, nicht als Zeuge anwesend sei: „Es gibt keinen glaubwürdigen Beweis dafür, dass die Entscheidung von Joe Glenton, sich unerlaubt zu entfernen, verursacht war durch die Stimme seines Gewissens oder der Sorge über die Moral und Legalität des Einsatzes in Afghanistan. Dies hier ist kein Fall eines Kriegsdienstverweigerers. Wenn dem so wäre, wären wir bereit, heute darüber zu reden.“

Bezüglich der PTSD sagte der Richter, auch wenn er anerkenne, dass das Berufungsgericht kein Expertengremium sei: „In diesem Fall kamen wir nach intensiver Lektüre der Berichte zu dem Schluss, ohne damit die unerfreulichen Erfahrungen des Antragstellers in Afghanistan in Abrede stellen zu wollen, dass aus den Berichten nicht hervorgeht, dass die posttraumatischen Stressstörungen, unter denen er leidet, eine besonders starke Form angenommen haben. Viele Soldaten leiden unter ihren schlechten Erfahrungen, leisten aber ihren Dienst. Joe Glenton tat dies nicht.“

Die neunmonatige Haftstrafe des Militärgerichtes, so der Richter weiter, sei von einem besonderen Strafgericht ausgesprochen worden, wo es bessere Richter gäbe als selbst beim Berufungsgericht. Das bedeute selbstverständlich nicht, dass das Berufungsgericht immer mit den Entscheidungen des Militärgerichtes einverstanden sei, aber dies sei keine Strafzumessung, bei der ein Einschreiten erforderlich sei.

Da Joe Glenton sich bezüglich der unerlaubten Abwesenheit schuldig bekannt hatte, wird seine Haftstrafe automatisch um ein Drittel reduziert, so dass er noch sechs Monate abzüglich der bereits verbüßten 75 Tage Haftstrafe zu erwarten hat. Danach wird er voraussichtlich am 2. August aus der Haft entlassen. Wegen guter Führung könnte seine Haftstrafe weiter reduziert werden. Dann wäre der 12. Juli der Entlassungstermin.

Die Armee hat beschlossen, Joe Glenton nach der Haft aus dem Militärdienst zu entlassen.

Clare Glenton sagte gegenüber BBC News, ihr Mann sei „enttäuscht, aber nicht überrascht“, dass die Berufung abgewiesen worden sei. „Er freut sich nun darauf, im Sommer entlassen zu werden und sein Leben in die Hand nehmen zu können. Er hat eine Zulassung zum Studienfach Globale Entwicklung und Friedensforschung an der Leeds Metropolitan University erhalten und kann es kaum abwarten, sein Studium zu beginnen. Die Zukunftsaussichten sind sehr hoffnungsvoll.“

Bitte besucht die Website von Payday, um weitere Informationen zu Joe Glenton zu erhalten. Es ist wichtig, ihn wissen zu lassen, dass wir ihn nicht vergessen haben. Die von Connection e.V. organisierte Postkartenaktion wird fortgesetzt.

Payday: Nine months sentence confirmed on appeal – Support for Joe Glenton must continue. 5. Mai 2010. Übersetzung: Rudi Friedrich und Heike Makowski

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