Chelsea Manning

Chelsea Manning

Whistleblowerin Chelsea Manning ist frei!

von Joseph Gibson

(17.05.2017) Chelsea Manning, ehemaliger Geheimdienstanalyst und 2010 verhaftet, weil sie als geheim eingestufte Informationen veröffentlichte, ist frei. Manning wird das Gefängnis in Fort Leavenworth nach sieben Jahren Haft verlassen. Sie war zu insgesamt 35 Jahren Haft verurteilt worden, die längste Haftstrafe, die jemals gegen einen Whistleblower in den USA ausgesprochen worden ist. Aber nach einer Kampagne, die großen Eindruck hinterlassen hat, reduzierte Präsident Obama in den letzten Tagen seiner Amtszeit die Haftstrafe.

“Wir sind für diese fantastische Nachricht einen langen Weg gegangen, auf dem wir für die während des Verfahrens erfolgte brutale und ungerechte Behandlung gegen Chelsea Gutmachung forderten. Es ist tragisch, dass Chelsea sieben Jahre dafür sitzen musste, dass sie Dokumente veröffentlicht hat, die niemals als geheim eingestuft hätten dürfen und ganz klar im öffentlichen Interesse sind“, erklärte der Mitbegründer des Chelsea Manning Unterstützungsnetzwerkes. „Alle, die sich an der Kampagne für Chelsea beteiligt haben, sind überglücklich. Es ist ein wenig unwirklich.“

„Ich fühle mich großartig. Als ich die Nachricht erhielt, dass Präsident Obama die Haftstrafe von Chelsea reduziert hat, war ich überwältigt und es erfüllte mich mit großer Freude“, sagte Nancy Hollander, die führende Verteidigerin im Berufungsverfahren von Manning. „Ich wünschte mir, sie sofort umarmen zu können. Sie hat eine lange und schwierige Haftzeit hinter sich. Ihre Freilassung ist lange überfällig. Es wird großartig sein, sie als Frau zu sehen.“

Was beinhalteten die von Manning zugespielten Informationen?

In einer gerechten Welt wäre Chelsea Manning weder inhaftiert noch gefoltert, sondern als Heldin gefeiert worden, die der Öffentlichkeit die Verbrechen ihrer Regierung ins Bewusstsein gebracht hat. An oberster Stelle der durch Manning erfolgten Enthüllungen steht das Video „Collateral Murder“, eine der berüchtigsten Veröffentlichungen von WikiLeaks. Der Film zeigt eine Reihe von Luftangriffen der US-Armee in Bagdad im Jahr 2007. Durch die Angriffe wurden 12 Personen getötet, darunter ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters und sein Fahrer. Das Video offenbart, dass die Soldaten auf unschuldige Irakis feuerten, die zu Hilfe kamen, nachdem die ersten Zivilisten getroffen worden waren. Man kann zwei der Soldaten hören: „Hahaha. Ich hab sie getroffen“, sagt einer. „Oh yeah”, gibt der andere zurück, “schau die toten Bastarde.“

Während über das Video “Collateral Murder” durch die großen Medien berichtet wurde, erfolgte das bei vielen anderen wichtigen Aspekten der Enthüllungen nicht. Hier ist ein Auszug von dem, was Manning uns mitteilen wollte:

  • Die USA versuchte, die Ermittlungen zur Folter in der Haftanstalt auf Guantanamo durch Spanien zu stoppen;
  • Aus einer Notiz des US-Außenministeriums ging hervor, dass der von den USA unterstützte Putsch in Honduras „illegal und verfassungswidrig“ war;
  • Der Präsident des Jemen behauptete, für Drohnenangriffe in der Region verantwortlich zu sein, die durch die USA erfolgt waren und die der Jemen unter der Decke hielt;
  • Shell erklärte, in die Regierung Nigerias Personen eingeschleust zu haben;
  • Israel versuchte absichtlich Gaza an den „Rand des Kollaps“ zu bringen;
  • Der afghanische Vizepräsident konnte das Land mit 52 Millionen US-Dollar in bar verlassen;
  • Der US-Geheimdienst transportierte über die Türkei Personen, die als Terroristen verdächtigt wurden.

Während viele US-Amerikaner den Arabischen Frühling verfolgten, wussten die meisten wahrscheinlich nicht, dass die ganze Sache durch eine Enthüllung von Manning ausgelöst worden war. Sie schilderte Details der Korruption der Regierung von Ben Ali in Tunesien. Viele gehen davon aus, dass diese Enthüllungen Auslöser waren, die zur Überwindung der tunesischen Regierung unter Ali führten und schließlich den Arabischen Frühling 2011 auslösten.

Chelsea Manning wurde gefoltert

Nachdem sie verhaftet worden war, war Chelsea Manning über einen Zeitraum von 11 Monaten 23 Stunden am Tag in Einzelhaft. Juan Mendez, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Folter, klagte die US-Regierung offiziell an, Manning durch Einzelhaft zu foltern. In den Schlussfolgerungen erklärte Mendez, dass „Einzelhaft eine harte Maßnahme ist, die ernsthafte psychische und körperliche Auswirkungen auf Personen hat unabhängig von denbesonderen jeweils vorliegenden Bedingungen.“

Im Mai 2016 schrieb Manning auf, wie sie die Einzelhaft erlebt hat. „17 Stunden saß ich täglich mindestens zwei Wachhabenden der Marines gegenüber, die hinter einer verspiegelten Scheibe saßen“, schrieb Manning. „Es war mir nicht gestattet, mich hinzulegen. Ich durfte mich mit dem Rücken nicht an die Wände der Zelle lehnen. Ich durfte keine Übungen machen. Manchmal, um nicht verrückt zu werden, stand ich auf, ging herum, tanzte, da Tanzen von den Marines nicht als Übung angesehen wurde.“

Einige Monate später beging Manning einen Selbstmordversuch und wurde deshalb disziplinarisch belangt, indem sie für zwei Wochen erneut in Einzelhaft gesteckt wurde.

Wie die Liberalen Verrat an Manning begingen

Es ist sicher nicht überraschend, dass viele Republikaner die Handlung von Manning ablehnten und ihre Haft befürworteten. Aber die Zahl der Liberalen, die damit einverstanden waren, war von Beginn an erschreckend.

Trotz weltweiter Auswirkungen ihrer Enthüllungen, schrieb Alyssa Rosenberg, ehemalige Bloggerin des Zentrums für amerikanischen Fortschritt und nun bei der Washington Post über Manning als Person mit „sehr ernsthaften emotionalen Problemen“. Manning sei keineswegs ein „besonders effektiver Whistleblower“.

Joy Reid vom US-Nachrichtensender MSNBC spekulierte, dass Manning einfach nur „die Anarchie als Balsam“ für die „eigenen persönlichen und psychischen Qualen suchte“. Bezüglich der brutalen Behandlung im Gefängnis schrieb sie, dass „Gefängnis nun einmal unangenehm sei“. Die Einzelhaft sei gerechtfertigt, da Manning der „Spionagevorwurf“ gemacht worden sei.

Diese Reaktionen aus dem liberalen Spektrum gab es bis zum Ende. Nachdem Obama erklärt hatte, dass er die Haftstrafe von Manning reduziert, fingen einige Senatoren der Demokraten an, sich von dieser Entscheidung zu distanzieren. Senator Mark Warner sagte, dass dies ein „falsches Signal“ sei. Senator Gary Peters erklärte, dass die Entscheidung von Obama ihn „enttäusche“ und „grundverkehrt“ sei.

Von Anfang an kämpften diejenigen, die sich für die Freilassung von Manning einsetzten, gegen den Strom an und erhielten kaum Unterstützung durch Abgeordnete oder Senatoren. Ganz im Gegenteil, Politiker von beiden Seiten standen der Freiheit von Manning entgegen.

Joseph Gibson, Courage to Resist: Chelsea Manning is Free (Tomorrow)! 16. Mai 2017. Aktualisiert am 17. Mai 2017. Übersetzung: Rudi Friedrich. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2017

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