Flüchtlingsschutz für eritreischen Deserteur gewährt

von Verwaltungsgericht Frankfurt

Im Jahre 2004 hatte sich die Eritreische Antimilitaristische Initiative in Frankfurt gegründet. Gemeinsam mit Connection e.V., der Flüchtlingsseelsorge der EKHN und Pro Asyl wurde dazu im November 2004 eine Dokumentation zu Kriegsdienstverweigerung und Desertion vorgestellt, in der neun KriegsdienstverweigerInnen aus Eritrea in Interviews ausführlich über ihr Verfolgungsschicksal berichteten. Inzwischen sind alle ihre Asylverfahren positiv abgeschlossen worden. Hier wird eines der Urteile in Auszügen dokumentiert. (d. Red.)

Tatbestand

Der Kläger ist nach eigenen Angaben eritreischer Staatsangehöriger, der Eritrea am 12.8.2002 über den Sudan und Ägypten in Richtung Frankfurt verlassen habe, weil er aus einem Militärgefängnislager geflüchtet sei. (...) In seiner Einheit habe es eine Versammlung gegeben, bei der die Vergehen der G 15 dargestellt worden seien. Er habe sich ungehalten geäußert und gefragt, weshalb man ihm politische Fragen unterbreite, da ihm dies doch angeblich verboten sei. Er sei dann zum Schweigen aufgefordert worden und nach dem Ende der Versammlung festgenommen worden. Aus dem Lager, in das er gebracht wurde, habe er flüchten können (...).

Mit Beschluss vom 7.4.2003 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab (...).

Hiergegen hat der Kläger Klage eingereicht (...). Zur Begründung führt der Kläger weiterhin an, dass er in verschiedenen Zeitschriften, die in englischer und deutscher Sprache in zahlreichen Städten angeboten würden, zur Kriegsdienstverweigerung und Desertion Stellung genommen habe. Es sei unter voller Namensnennung und unter Abbildung eines Lichtbildes von ihm seine Geschichte wiedergegeben worden. Auch auf verschiedenen Internetseiten sei er identifizierbar und gebe zu erkennen, dass er den eritreischen Staat wegen seines Verhaltens Deserteuren und Wehrdienstverweigerern gegenüber anklage. Außerdem sei er Mitglied der ELF-RC und nehme an zahlreichen Veranstaltungen dieser Vereinigung teil. (...)

Entscheidungsgründe

Der versagende Bescheid des vormaligen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7.4.2003 ist rechtswidrig (...), denn der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG liegt vor, wenn in dem Staat, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers im Rahmen der Anhörung vor Gericht und der zu den Verfahrensakten gegebenen Veröffentlichungen in verschiedenen Exilzeitschriften ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger wegen seiner Veröffentlichungen in Exilzeitschriften bei einer Rückkehr nach Eritrea allein deshalb mit drakonischen Strafen rechnen muss.

Der Kläger hat u.a. in einer Zeitschrift zur Kriegsdienstverweigerung und Desertion, herausgegeben von "Connection e.V.", seine Meinung zur Behandlung von Deserteuren in kritischer Form dargestellt und den eritreischen Staat angegriffen. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Juni 2005 an das VG Frankfurt unterliegen regimekritische Veröffentlichungen in einer Exilzeitung in der Regel der Beobachtung eritreisch-staatlicher Stellen (Geheimdienste/Staatsschutzdienste). Da der eritreische Staat derartige Vergehen als staatsfeindliche Handlungen ansehe, seien grundsätzlich strafrechtliche Vorschriften einschlägig, die das Vergehen in aller Regel mit drakonischen Strafen ahnden. Werde das staatsschädigende Vergehen durch die Veröffentlichung von Beiträgen in Publikationen wie Exilzeitschriften begangen, verwiesen die entsprechenden Vorschriften des eritreischen Pressegesetzes auf das eritreische Strafrecht.

Angesichts des Umfangs der Veröffentlichung in mehreren Zeitschriften unter Beifügung des Namens und des Bildes des Klägers geht das erkennende Gericht unter Zugrundelegung der zitierten Auskunft davon aus, dass die kritischen Äußerungen des Klägers über die Behandlung von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren in Eritrea unter Zugrundelegung des Umstandes, dass er angibt, selbst desertiert zu sein, eine drakonische Strafe nach sich ziehen kann. Diese Annahme ist jedenfalls unter den weiteren Gesichtspunkten gerechtfertigt, dass der Kläger in medienwirksamer Weise unter der Obhut von Connection e.V. eine eigene Gruppe namens "Aufbruch in Bezug auf das Gewissen Eritreas, gegen Militärdienst" gegründet hat, die in der Öffentlichkeit auch zur Kenntnis genommen wurde. (...)

Verwaltungsgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 8. November 2005. AZ 8 E 1833/03.A(3). Das Urteil ist rechtskräftig. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, September 2006.

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