Blake Lemoine

Blake Lemoine

Unterstützt inhaftierten US-Verweigerer Blake Lemoine

von Connection e.V.

Der Kriegsdienstverweigerer Blake Lemoine wurde am 28. März 2005 wegen Befehlsverweigerung zu sieben Monaten Haft verurteilt. Im Anschluss an den Prozess ist er in das US-Militärgefängnis der Coleman-Kaserne nach Mannheim überstellt worden. Nach einer Protestaktion vor der Coleman-Kaserne wurde er am 10. April nach Fort Sill, Oklahoma, verlegt.

Aufgrund seiner Erlebnisse während seines einjährigen Einsatzes im Irak erklärte er Anfang des Jahres seine Kriegsdienstverweigerung aus religiösen Gründen: „Jetzt, wo mir der Hass und Wut bewusst sind, die gegen die arabischen Völker gerichtet sind, kann ich nichts anderes tun, als gegenüber dem US-Militär jeden Einsatz mit dem Gewehr zu verweigern.“ Dann begann er, im Militär Widerstand zu leisten und befolgte während des Dienstes keine Befehle mehr. Aufgrund dessen war er wegen Befehlsverweigerung angeklagt worden. Sein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung wurde bislang vom Militär nicht bearbeitet. Das Verfahren ist noch anhängig.

Gemeinsam mit dem Military Counseling Network, Stop the War Brigade, American Voices Abroad Military Project und der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär rufen wir dazu auf, Blake Lemoine zu unterstützen. (d. Red.)

 

Wie alle US-SoldatInnen ist Lemoine freiwillig zur Armee gegangen und hat einen Vertrag mit dem US-Verteidigungsministerium abgeschlossen. Dies war kurz nach dem 11. September, nach den Angriffen auf das World Trade Center. Er hatte einen Drei-Jahres-Vertrag unterzeichnet und inzwischen ein Jahr im Irak Dienst abgeleistet, wo er wegen eines gefährlichen Einsatzes als Artillerist ausgezeichnet wurde. Durch die Erfahrungen mit der Kriegführung der US-Armee im Irak ist Lemoine völlig desillusioniert.

Nach einem Jahr kehrte Lemoine zur Militäreinheit nach Darmstadt zurück. Sein Vertrag wäre am 13. Februar 2005 ausgelaufen. Als er aber den Antrag stellte, dass seine Frau mit ihm in Darmstadt leben könne, verlangte die Armee, dass er seinen Vertrag bis zum 13. Oktober 2005 verlängere, was er auch tat.

Im Juni 2004 trat Lemoine mit einem Militärgeistlichen in Kontakt, um sich Rat zu holen. Er fragte, ob er einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen könne, um aus der Armee entlassen zu werden. Laut Lemoine sagte ihm der Geistliche, dass er mit einem solchen Antrag keine Aussicht auf Erfolg haben werde, auch wenn der Einmarsch der USA in den Irak seinen religiösen Überzeugungen widerspreche. Er sei kein Pazifist und würde für die Verteidigung der USA kämpfen. Der Geistliche wies ihn nicht darauf hin, dass er nach einer Ablehnung seines Antrages die Möglichkeit der Klage vor dem US-Bundesgericht habe.

In den darauf folgenden Monaten kam Lemoine mehr und mehr zu der Einsicht, dass es „moralisch unehrlich“ sei, weiter dem US-Militär zu dienen, so lange es eine Politik verfolgt, die seinen Überzeugungen widerspricht. Am 10. Januar 2005 erklärte er daher, dass er „aus der Armee austrete“. Am 17. Januar begann er einen Hungerstreik.

Am 24. Januar stellte Lemoine einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung, nachdem er durch das Military Counseling Network (MCN) über seine rechtlichen Möglichkeiten beraten worden war. Bis jetzt wurde sein Antrag noch nicht einmal bearbeitet. Das Verfahren ist noch anhängig. Es ist aber wahrscheinlich, dass sein Antrag abgelehnt und er deshalb vor dem US-Bundesgericht Klage erheben wird. Das US-Recht verlangt, dass ein Kriegsdienstverweigerer aufgrund seiner religiösen oder ethischen Überzeugungen niemals Gewalt anwenden kann - mit Ausnahme einer persönlichen Selbstverteidigung.

Da die meisten US-SoldatInnen zur Verteidigung der USA kämpfen würden, stellen nur wenige einen Antrag, zumal Kriegsdienstverweigerer oft mit Schikanen in der Armee konfrontiert werden. Nach The New York Times vom 18. März 2005 hatte das US-Militär erklärt, dass im Jahre 2004 bis November insgesamt 79 Anträge gestellt wurden, 41 SoldatInnen wurde die Anerkennung als KriegsdienstverweigerIn verweigert, 34 wurden anerkannt. Insgesamt waren 2004 673.000 SoldatInnen in US-Armee und Marine.

Ab 1. Februar verweigerte Lemoine die Annahme des Soldes, am 17. Februar beendete er den ersten Hungerstreik, nachdem ihm die Armee die Überlegung mitgeteilt hatte, ihn zu entlassen. Dennoch wurde er am 4. März wegen Befehlsverweigerung angeklagt und der Prozess für den 28. März vor dem Militärgericht anberaumt. Am 4. März begann er einen zweiten Hungerstreik.

Die meisten SoldatInnen gehen aus wirtschaftlichen Gründen zum US-Militär. Nach den Erfahrungen von Beratungsstellen informieren die Anwerber der Rekrutierungsbüros interessierte RekrutInnen oft unvollständig, um sie zu überzeugen, den Vertrag zu unterschreiben. Das wurde lebhaft von Michael Moore in seinem Dokumentarfilm „Fahrenheit 9/11“ beschrieben.

Reuben Miller vom Military Counseling Network (MCN) in Heidelberg sagt: „Die Rekrutierung findet unter falschen Voraussetzungen statt. Alle SoldatInnen, mit denen wir gesprochen haben, erzählen uns, dass die Anwerber Versprechen wie diese abgeben: ‘Sie werden nicht in den Krieg ziehen müssen.’ Das ist eine freche Lüge. Die Anwerber verkaufen etwas: ein neues Leben, Arbeitsmöglichkeiten und Geld für den College-Besuch. Für jeden jungen Erwachsenen, der sonst keine dieser Möglichkeiten hat, sieht das Militär wie eine Goldgrube aus. Obwohl sie freiwillig den Vertrag unterschreiben, wissen sie kaum, auf was sie sich einlassen.“

Die Unehrlichkeit spricht sich herum: Im Februar 2005 hat die US-Nationalgarde 25% weniger rekrutiert als vorgesehen war. Auch andere Armeeabteilungen hatten erhebliche Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. Verzweifelt wird versucht, die Mannschaftsstärke zu halten, indem ein Entlassungsstopp (Stop Loss Order) verfügt wurde. Damit wird die Dienstzeit der SoldatInnen ohne Einwilligung der Betroffenen verlängert.

Während seines Hungerstreiks fand Lemoine moralische Unterstützung durch zwei Vietnamveteranen, die Mitglieder von Stop the War Brigade in Deutschland sind: Dave Blalock und Darnell Stephen Summers. Beide setzen sich seit langem für die Rechte der GIs ein. Blalock sagt: „Die Bemühungen des US-Militärs, den irakischen Aufruhr zu unterdrücken, sind nicht erfolgreich. Es sind seit Beginn des Krieges nicht nur Tausende von SoldatInnen desertiert, viele andere GIs haben auf andere Art und Weise die Teilnahme an diesem Krieg verweigert, sowohl öffentlich als auch privat.“ Das Pentagon berichtete im Dezember 2004 auf seiner Homepage, dass seit dem Beginn des Krieges gegen den Irak 5.500 Soldaten desertiert seien.

Auch American Voices Abroad (AVA), eine Organisation von US-BürgerInnen, die in Europa und dem Libanon leben, ist besorgt um das Schicksal von Lemoine. „Eines unserer Ziele ist es, die Notlage von US-SoldatInnen ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, dass sie dazu gezwungen sind, Handlungen auszuüben, mit denen sie moralisch und ethisch nicht einverstanden sind“, sagt die Mitarbeiterin von AVA und Filmemacherin Elsa Rassbach in Berlin. AVA wurde im Juli 2003 gegründet, um sich gegen die Politik der von Bush geführten US-Regierung für einen „Präventivkrieg“ und den US-Patriot Act zu wenden. Im Februar 2005 gründete AVA das „Military Project“ zur Unterstützung von US-SoldatInnen unter dem Slogan „S.O.S. - Save Our Soldiers - Bring Them Home“, Rettet unsere Soldaten - Bringt sie nach Hause.

Auf einer Pressekonferenz erläuterte Blake Lemoine am 24. März 2005 seine Gründe, die Mitarbeit im Militär zu verweigern. Er war zwar jeden Tag zum Dienst erschienen, hatte aber aufgrund des Irak-Krieges die Befehle nicht mehr ausgeführt. Wenige Tage später, am 29. März 2005, verurteilte ihn das US-Militärgericht in Darmstadt wegen Befehlsverweigerung zu einer siebenmonatigen Haftstrafe und brachte ihn im Anschluss daran in das Militärgefängnis der US-Coleman-Kaserne in Mannheim.

Nach wenigen Tagen beendete Lemoine seinen zweiten Hungerstreik, da ihm vom Militär angedroht worden war, ihn zwangsweise zu ernähren.

Am darauf folgenden Wochenende wurde seiner Ehefrau, Alayna Lemoine der Besuch verweigert. Ihr wurde von Wachtposten mitgeteilt, ihr Ehemann habe keine Liste angefertigt, auf der verzeichnet sei, wer ihn zu den üblichen Besuchszeiten besuchen könne. Ihm sei es zudem „verboten, Besuche zu empfangen“. Tatsächlich hatte Lemoine eine solche vom Militär verlangte Liste erstellt.

Zugleich betonte sie, dass sie hinter der Kriegsdienstverweigerung ihres Mannes stehe und ihn dabei unterstütze: „Ich wurde gefragt, warum ich ihn nicht verlasse. Einige fragten mich, wie er mir das antun könne, es meiner Familie antun könne. Die Wahrheit ist: Ich ermutige ihn. Er tut es mit voller Überzeugung. Er kämpft für das, an was er glaubt. Das ist eines der Dinge, die ich an ihm liebe.“

Eine Woche später wurde Alayna Lemoine der Besuch gestattet. Am Sonntag führten zugleich verschiedene Friedensorganisationen eine Protestveranstaltung vor der Coleman-Kaserne in Mannheim durch. Von Rap-Songs unterstützt forderten die DemonstrantInnen das Militär auf, Blake Lemoine unverzüglich freizulassen.

Unmittelbar nach der Protestveranstaltung wurde Blake Lemoine in die USA in das Militärgefängnis nach Fort Sill (Oklahoma) verlegt. Seine Ehefrau reiste am 22. April zurück in die USA. Blake Lemoine wird nun von einer Solidaritätsgruppe in Oklahoma weiter betreut.

Zusammengestellt aus Pressemitteilungen von Connection e.V. und anderen vom 23., 25., und 29. März sowie 4., 5., 6. und 13. April 2005. Veröffentlicht in Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg): Rundbrief »KDV im Krieg«, Mai 2005

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