Osman Murat Ülke

Osman Murat Ülke

Osman Murat Ülke erklärt seine Kriegsdienstverweigerung

Wehrpassverbrennung am Antikriegstag

Izmir, den 1. September 1995

 

Die heutige Pressekonferenz führt nicht der ISKD durch. Ich bin allein dafür verantwortlich.

Wie Sie wissen, ist der Prozeß wegen Verstoß gegen Art. 155 vor dem Militärgericht des Großen Generalstabs am 29.8. abgeschlossen worden.

Arif Hikmet Iyidogan, der Vorsitzende des verbotenen Vereins der KriegsgegnerInnen Istanbul, wurde zu einer Haftstrafe von sechs Monaten, der Student Gökhan Demirkiran zu vier Monaten, Mehmet Sefa Fersal zu zwei Monaten verurteilt. Ich wurde freigesprochen. Der Richter hat uns vor der Urteilsverkündung gefragt, ob wir unseren Militärdienst schon abgeleistet haben, obwohl diese Frage mit dem Inhalt der Anklage, nämlich "Distanzierung des Vokes vom Militär", überhaupt nichts zu tun hat. Damit hat er dafür gesorgt, daß ich trotz Freispruch dem Rekrutierungsbüro des Distrikts Cankaya übergeben wurde.

Die Armee hat auf diese Weise den Weg gewählt, Kriegsgegner, mit denen sie juristisch nicht fertig wird, den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen. Vor allem bin ich kein Wehrflüchtiger, sondern ein Kriegsdienstverweigerer. Ich denke weder daran, vor der "Wehrpflicht" zu flüchten, noch daran, diese abzuleisten. Ich sehe keinen Grund zu flüchten, denn ich verteidige das Recht, von der Kriegsdienstverweigerung Gebrauch zu machen, ohne mich zu verstecken.

Laut den Papieren, die mir vom Rekrutierungsbüro gegeben wurden, soll ich ab sofort Soldat sein und mich am 31. August - also gestern - beim 9. Feldjägerausbildungsregiment in Bilecik (Provinz Bursa) gemeldet haben. Wie sie sehen, habe ich mich nicht gemeldet und bin hier. Auch wenn ich kein Wehrflüchtiger bin, sehe ich keinen Sinn darin, mich von mir aus in der Kaserne zu melden. Im Gegenteil: Ich werde jetzt hier vor Ihren Augen den Wehrpaß verbrennen, den ich nicht als den meinen ansehen kann. Desweiteren werde ich einen Teil der Dokumente, die aus diesem Briefumschlag stammen, nämlich die Mitteilung an mich, ebenfalls verbrennen. Der Rest, welcher Staatseigentum ist, werde ich an eben diesen zurückschicken. Vielleicht brauchen sie das Zeug ja noch. Zuletzt werde ich die 101.000 Türkische Lira (3 DM), die mir als Verpflegungsgeld für den Weg nach Blecik gegeben wurden, dem Umschlag hinzufügen.

Ich bin kein Soldat und werde keiner werden. Natürlich bin ich mir im klaren darüber, daß ich festgenommen werde. Bis es jedoch so weit kommt - solange es eben dauern mag - wird sich an meiner Lebensweise nichts ändern. Ich bin hier im Verein auffindbar. Doch ich unterstreiche noch einmal, daß ich in der Kaserne bis zum Ende Widerstand leisten und mich auf keine Art und Weise zum Soldat machen lassen werde.

Osman Murat Ülke: Erklärung zur Kriegsdienstverweigerung, 1. September 1995

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