Gibt es einen sicheren Ort für eritreische Flüchtlinge?

von Abraham Mehreteab

(05.09.2010) Es sind nun sechs Jahre vergangen, seitdem ich angefangen habe mich gegen die inhumane Behandlung meiner eritreischen Mitmenschen durch die Regierung Eritreas einzusetzen. Es ist wahr, dass Tausende von ihnen das Land auf Grund des unbefristeten Nationaldienstes verlassen haben. Dieser sollte offiziell laut der Erklärung von 1995 befristet sein auf ein Jahr und sechs Monate. In diesem kurzen Text will ich mich nicht auf die Misshandlung durch die eritreische Regierung konzentrieren, die auch von Aktivisten und Menschenrechtsbeobachtern angeprangert werden. Stattdessen werde ich darüber schreiben, wie es denen geht, die diese Diktatur verlassen haben und probieren irgendwo auf der Welt einen sicheren Platz zu finden.

Jedoch kann ich damit nicht beginnen, ohne die Leiden der Kriegsdienstverweigerer in Eritrea zu erwähnen. Diese drei Männer sind seit 1995, als sie die Grundausbildung verweigert, im Gefängnis. Seitdem Eritrea unabhängig ist, wurde es ein „militärisch mobilisierter Nationalsicherheitsstaat“. Dieser militarisierte Staat scheint darauf aus, ein Exempel an den Zeugen Jehovahs zu statuieren, weil sie den Kriegsdienst verweigern.

Die Tragödie beginnt an der eritreischen Grenze und in den benachbarten Staaten wie Sudan und Äthiopien. Viele Menschen, die der Rekrutierung durch das Militär oder dem unbegrenzten Nationaldienst entfliehen wollten, wurden Opfer der Sicherheitskräfte an der Grenze. Unzählige von ihnen wurden erschossen oder als Verräter für unbegrenzte Zeit inhaftiert. Wenn die Regierung feststellt, dass jemand erfolgreich ins Ausland geflohen ist, dann terrorisiert sie dessen Familie mit Geld- und manchmal sogar Gefängnisstrafen. Trotz all dieser Hürden, gibt es immer noch genug Gegner dieses Regimes und der Strom junger fliehender Leute ist bis zum heutigen Tag nicht versiegt.

Die Fliehenden haben nur geringe Chancen in einem der Nachbarländer sesshaft zu werden. Deshalb durchqueren die meisten von ihnen die Sahara und versuchen, das Mittelmeer zu überwinden, um nach Europa gelangen. Andere versuchen, über Ägypten nach Israel zu kommen.

Die Grenze in der Sinaiwüste ist mittlerweile eine der Hauptwege für afrikanische Migranten, die auf der Suche nach Arbeit sind. Es ist auch eine Route für die verzweifelten Eritreer geworden, die seit Jahren im Sudan lebten und eine größere Distanz zwischen sich und der eritreischen Regierung suchen. Denn Eritrea und Sudan haben kürzlich ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen. Ergebnis davon war unter anderem, dass viele Eritreer im Sudan inhaftiert und der eritreischen Regierung übergeben wurden. Niemand weiß, wo die Inhaftierten nun sind. Wie üblich wird es ihnen so gehen wie vielen anderen: Sie werden in der Wüste in eritreischen Hafteinrichtungen sitzen, wie in MaywuUi und das ohne irgendwelche Rechte, Anwälte oder Familienbesuche. Das beste Beispiel dafür sind Petros und Yonas, die aus Deutschland abgeschoben und dann sofort von der eritreischen Regierung eingesperrt wurden.

Wie AFP im August 2010 berichtete, haben Schmuggler und Polizisten sechs Eritreer nahe der israelischen Grenze erschossen. Dies wurde von der ägyptischen Sicherheitsbehörde bestätigt. Drei Männer und eine Frau wurden im Feuerhagel zwischen Schmugglern und Migranten getötet. Die Polizei erschoss zwei weitere der sechsköpfigen Gruppe, als sie versuchten, die israelische Grenze zu passieren.

Kairo wies die Kritik von Menschenrechtsgruppen zurück gegen die Politik der Regierung zurück, tödliche Waffen gegen MigrantInnen an der 250 Kilometer langen Grenze mit Israel einzusetzen.

Nach der Flucht vor Gefahren und Armut aus dem eigenen Land bis nach Kairo, wo sie mit Rassismus und Repressionen konfrontiert sind, die in einem Polizeimassaker ihren Höhepunkt fanden, suchen sie sich ihren Weg von Kairo durch den Sinai und über die israelische Grenze, ein lebensbedrohlicher Weg. In Israel werden die Flüchtlinge dann als Mörder, Diebe, Verbrecher, Alkoholiker, Drogendealer, Gangster und Jobdiebe betitelt und es gibt noch mehr Vorurteile gegen Ausländer. Obwohl es natürlich auch viele großherzige Menschen gibt, die mit den eritreischen Flüchtlingen sympathisieren, ist es schlimm, solche Aussagen von einem Volk zu hören, das jahrhundertelang auch als Menschen zweiter Klasse behandelt wurde und vor anderen Regierungen geflüchtet ist.

Aber es stimmt, dass die Eritreer das klassische Flüchtlingsprofil erfüllen. Sie leiden an psychischen Traumata, die nicht nur durch die brutale Situation und die Repressionen in der Heimat bedingt sind, sondern auch durch die Reise von Ägypten zur israelischen Grenze. Auf ihrem Weg zur Grenze sind sie Gewalt und sexuellem Missbrauch durch die Beduinenführer ausgeliefert und werden zusätzlich von ägyptischen Grenzwächtern gejagt.

Erreichen sie irgendwann Israel, dann ist ihr Leben immer noch unglaublich schwierig. Im Süden von Tel Aviv sind viele von ihnen arbeitslos, hängen auf der Straße ab und leben in winzigen Wohnungen mit zehn anderen zusammen.

Insgesamt ist die Zahl der Flüchtlinge nach Angaben der Vereinten Nationen in Israel auf 25.000 gestiegen, mit wachsender Tendenz.

Ein anderer Weg für Eritreer, um einen sicheren Staat zu erreichen, ist der durch Libyen. Dieses Land ist jedoch ein enger Freund des eritreischen Regimes in Asmara. Deshalb wurden sehr viele flüchtige Eritreer nach Eritrea abgeschoben. Einige eritreische Gefangene in Misrata konnten Human Rights Watch darüber informieren, dass libysche Beamte sie zwängen biometrische Datenformulare auf Tigrinja, der eritreischen Sprache, auszufüllen und zudem fotografiert zu werden. Das Material werde von Vertretern der eritreischen Botschaft zur Verfügung gestellt. Da die Gefangenen befürchteten, dass dies die ersten Schritte zur Vorbereitung ihrer Abschiebung sind, versuchten einige von ihnen am 28. Juni aus der Haft zu fliehen, was zu einer Konfrontation zwischen Wächtern und Insassen führte.

Nach glaubwürdigen Quellen wurden am 30. Juni etwa 245 männliche Eritreer von Misrata zu einem entfernten Militärgefängnis in der Nähe von al-Biraq gebracht. Dies liegt in der Nähe von Sabha, einer Stadt mitten in der Sahara, von dessen Flughafen schon zuvor Abschiebungen in andere afrikanische Länder durchgeführt wurden. Ungefähr 80 Frauen und Kinder verblieben in Misrata, einige von ihnen getrennt von ihren männlichen Familienangehörigen.

Die Konventionen gegen Folter sowie die Afrikanische Flüchtlingskonvention verbieten Libyen die Deportation in Länder, wo die Betroffenen einem ernsthaften Risiko von Verfolgung und Folter unterliegen. Libyen hat zudem den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet, der in Artikel 13 willkürliche Ausweisung untersagt und Ausländern das Recht gibt auf eine individuelle Entscheidung über ihre Ausweisung.

Das Menschenrechtskomitee interpretierte Artikel 7 des Internationalen Paktes als Verbot von Zwangsrückführungen bei Menschen, denen Folter oder Gewalt, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Nach internationalem Recht ist Libyen dazu verpflichtet, niemanden an einen Ort zurückzubringen, an dem er Verfolgung erleiden könnte oder sein Leben oder Freiheit in Gefahr ist.

Denjenigen, denen es gelang, das Mittelmeer zu überwinden, haben von Ländern wie Italien und Malta keinen sicheren Flüchtlingsstatus erhalten. Viele von ihnen wurden nach Libyen oder Eritrea abgeschoben.

Die italienische Regierung sagt, dass sie mit Libyen ausgehandelt hätten, dass wieder freigelassene eritreische Flüchtlinge dort unter Aufsicht libyscher Behörden „sozial nützliche Arbeit“ verrichten würden. Das libysche Auslandsministerium aber sagt, das eritreische Konsulat werde 400 Personalausweise für Eritreer in Libyen ausgeben.

Alle eritreischen Nachbarstaaten haben moralische und offizielle Verpflichtungen Flüchtlinge aufzunehmen und zu schützen. Jedoch sind Länder mit einer stabileren Wirtschaft und einer stabileren Regierung noch mehr dazu verpflichtet, Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Wir müssen sehen, dass einige dieser Länder in den vergangenen Jahren eritreische Flüchtlinge abgeschoben haben. Auf der anderen Seite begrüßen wir, dass die Anerkennungsquoten erheblich gestiegen sind.

Als Eritreer müssen wir die fürchterliche Realität in unserem Land akzeptieren. Wir sind die einzigen, die sie auch verändern können. Obwohl einige von uns Eritrea verlassen haben und zeitweise in anderen Ländern leben, ist das keine dauerhafte Lösung. Vielleicht haben wir einige soziale und wirtschaftliche Probleme, doch es besteht immer noch die Chance, die unmenschliche Politik zu verändern und unseren eritreischen Mitmenschen zu helfen. Die Eritreische Antimilitaristische Initiative (EAI) hat sich deshalb die letzten sechs Jahre in diesem Bereich engagiert. Neben der Kampagne zu Menschenrechten und Kriegsdienstverweigerung in Eritrea, haben wir zusammen mit einigen uns wohlgesinnten deutschen Friedensaktivisten probiert, die eritreische Öffentlichkeit und die politischen Führer der Opposition aufzuklären. Sie sollten die Frage von Krieg und Frieden in Eritrea wohl bedenken.

Die EAI glaubt weiter daran, dass mehr getan werden muss, um den Stimmlosen eine Stimme zu verleihen, damit wir große Veränderungen bewirken können.

Abraham Mehreteab: Is there a safe place for the Eritrean refugees? 5. September 2010. Übersetzung: Fiona Merfert

 

Abraham Mehreteab ist aktiv in der Eritreischen Antimilitaristischen Initiative

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