Mehmet Tarhan

Mehmet Tarhan

Kriegsdienstverweigerer Mehmet Tarhan

Mitgefangene drohen mit Ermordung - Gefängnispersonal stiftet offensichtlich Vorkommnisse an

von Connection e.V.

(24.05.2005) Wir müssen in Sorge um die Unversehrtheit und das Leben des türkischen Kriegsdienstverweigerers Mehmet Tarhan sein. Er wurde misshandelt, erpresst, mit dem Tode bedroht und gezwungen, über all diese Vorkommnisse zu schweigen.

Die Rechtsanwältin Suna Coskun veröffentlichte heute im Rahmen einer Pressekonferenz, was sich seit der Verlegung von Mehmet Tarhan am 11. April ins Militärgefängnis von Sivas ereignet hat. Mehmet Tarhan ist schwuler Aktivist und Kriegsdienstverweigerer. Er erklärte am 27. Oktober 2001 öffentlich seine Kriegsdienstverweigerung.

Connection e.V. ruft mit der War Resisters’ International (WRI) und anderen Organisationen zu Protesten auf. Eine eMail-Protestaktion wurde von der WRI gestartet. eMails können unter http://wri-irg.org/co/alerts/20050524a.html versandt werden.

Spenden werden erbeten an das Sonderkonto von Connection e.V. Nr.: 70 85 701 bei der Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 20 500.

Der Prozess gegen Mehmet Tarhan, wegen "Ungehorsam vor versammelter Mannschaft" wird am Donnerstag, den 26.05., fortgesetzt.

Der Ablauf der Misshandlungen im Einzelnen

Seit seiner Verlegung in das Militärgefängnis von Sivas wurde Mehmet Tarhan anders als reguläre Inhaftierte behandelt. Der Unteroffizier Mustafa Selvi drohte ihm sofort mit der Verlegung in die Gemeinschaftszelle Nr. 2, wo die "Wildesten" einquartiert seien. Später wurde Mehmet vor die Gemeinschaftszelle Nr. 1 gebracht und aufgefordert, ohne Begleitung hinein zu gehen.

Als er eintrat, war der Raum verdunkelt, die Männer darin waren nur schemenhaft zu erkennen. Er musste sich auf einen Stuhl neben der Tür setzen. Es begann ein "Kreuzverhör". Er wurde wiederholt gefragt, ob er ein Terrorist oder ein Landesverräter sei. Die Männer drohten, ihn zu töten, falls er ein Terrorist sein sollte.

Dann fingen die Insassen an, ihn zu verprügeln und wegen seiner langen Haare zu beleidigen. Der Inhaftierte Ertan Mertoglu zeigte Mehmet seine Waffe und drohte ihn zu töten. Der Angriff wurde erst durch das Eingreifen anderer Inhaftierter beendet.

Mehmet wurde in den Schlafsaal gebracht, wo eine kurze Weile später die gleichen Inhaftierten erneut über ihn herfielen. Sie schlugen überall auf ihn ein und zerrten ihn an den Haaren herum. Der Angriff drohte in Lynchjustiz zu gipfeln, bevor er erneut von anderen Inhaftierten nach ca. 20 Minuten beendet wurde.

Mehmets Oberlippe und die rechte Seite seiner Unterlippe sind geplatzt. Er hat Prellungen und Blutergüsse an Kinn, Hals und verschiedenen anderen Körperteilen. Wegen den Schlägen auf seine Brust hatte er bis zum 30. April 2005 Atemprobleme. Ihm sind an den folgenden Tagen kontinuierlich Haare ausgefallen. Wegen den Schlägen auf seine Knie, Beine und Füße hat er starke Blutergüsse und Prellungen und konnte lange Zeit nur beschwerlich aufstehen.

Nach dem Angriff wurden die Glühbirnen wieder festgedreht und damit die normale Beleuchtung in der Gemeinschaftszelle wieder hergestellt. Auch dies ein deutliches Indiz dafür, dass die Misshandlungen geplant waren.

Die Angreifer sind anschließend zu Mehmet Tarhan gekommen und haben ihm, unter dem Vorwand sich entschuldigen zu wollen, erzählt, der Unteroffizier Mustafa Selvi hätte ihn als Terrorist bezeichnet und sie mit den Worten "ihr wisst schon, wie ihr mit ihm umzugehen habt" angestiftet. Dies sei der Grund, warum sie ihn verprügelt hätten.

Mehmet wurde anschließend in eine Einzelzelle verlegt. Er wurde aber bei jedem Zellenausgang von den Inhaftierten Ertan Mertoglu, Hakki Dincel, Ersoy Özbulduk und Ercan Kizilboga mit den Worten "Hätten wir gewollt, hätten wir dich am ersten Tag töten können, aber wir können das immer noch" bedroht.

Aus Sorge um sein Leben hat Mehmet Tarhan die Misshandlungen und Drohungen für sich behalten. Später forderten die Angreifer zuerst Geld, anschließend Kleidung (Hemden, Krawatten, Schuhe) und Telefonkarten.

Die Inhaftierten Hakki Dinçel, Ersoy Özbulduk und Ertan Mertoglu verlangten am 29. April 2005 während des Hofgangs 500 YTL (ca. 290 Euro) und drohten, dass er ja wisse, was ihn erwarten würde, falls er nicht zahle. Mehmet Tarhan erwiderte, dass er einen so hohen Betrag nicht zahlen könne. Eine Woche später gab er den Drohungen nach und gab den Erpressern Ercan Kizilboga und Ertan Mertoglu 300 YTL, die ihm seine Schwester für seine privaten Gebrauch im Gefängnis gegeben hatte.

Darauf forderten die Erpresser am 9. Mai 2005 drei schwarze Anzüge. Um zu garantieren, dass er ihrem Wunsch nachkommt, zwangen sie ihn, seine Schwester anzurufen und hörten während des Anrufes zu.

Emine Tarhan brachte am 11. Mai 2005 zwei schwarze Anzüge, Schuhe, Krawatten und Hemden mit, die über die Gefängnisleitung Ertan Mertoglu ausgeliefert wurden.

Mehmet Tarhan hat die Gefängnisleitung gleich am ersten Tag über den Angriff und die bewaffnete Drohung informiert. Aus Sorge um seine Unversehrtheit und sein Leben hat er sich nicht an die Öffentlichkeit und seine Anwälte gewandt. Seine Schwester hat dann die Anwälte informiert, die am 19. Mai mit Mehmet die Situation detailliert besprechen konnten.

Die Anwälte haben die Gefängnisleitung mit der Situation konfrontiert und konnten zumindest eine teilweise Sicherheit herstellen. Das Geschehene wurde am 20. Mai 2005 im Gefängnis protokolliert. Die Anwälte haben bei der Militärstaatsanwaltschaft Sivas Anklage erhoben.

Es bleibt festzuhalten: Die Inhaftierten wurden in ihren Taten von der Gefängnisleitung angestiftet. Wir sind weiterhin um die Sicherheit Mehmet Tarhans besorgt.

gez. Rudi Friedrich

Quelle: Pressemitteilung von Connection e.V. vom 24. Mai 2005

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