US-Deserteur vor dem Europäischen Gerichtshof
Asylverfahren von André Shepherd wird in Luxemburg verhandelt
(06.09.2013) Mit einem Vorlagebeschluss hat das Verwaltungsgericht München vor wenigen Tagen den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg um Klärung grundsätzlicher Fragen im Asylverfahren des US-Deserteurs André Shepherd gebeten. Zu prüfen ist, so das Gericht, „ab welchem Grad der Verstrickung in militärische Auseinandersetzungen das Flüchtlingsrecht einem Angehörigen der Streitkräfte eine Desertion zugesteht, wegen der er bestraft wird“. Bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat das Verwaltungsgericht das Asylverfahren ausgesetzt.
Rechtsanwalt Reinhard Marx, der André Shepherd im Asylverfahren vertritt, betonte in einer ersten Stellungnahme, dass „hier zum ersten Mal ein Verfahren eines US-Deserteurs vor dem höchsten europäischen Gericht verhandelt wird. Damit wird deutlich, welch grundsätzliche Bedeutung dem Fall meines Mandanten zukommt.“
“André Shepherd”, so heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection e.V., „hat mit seiner Weigerung, sich weiter an Kriegsverbrechen im Irakkrieg zu beteiligen und stattdessen in Deutschland um Asyl nachzusuchen, die Frage aufgeworfen, ob ein Deserteur in solch einem Fall den notwendigen Schutz erhält. Das Völkerrecht und auch die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union, auf die sich Shepherd bezieht, bejahen dies ganz ausdrücklich.“
„Wir unterstützen das Verfahren“, erklärte Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL, „bis die Grundsatzfrage geklärt ist. Mit diesem Präzedenzfall erhoffen wir uns vom Europäischen Gerichtshof Klarheit darüber, dass Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren ein deutlich erhöhter Schutz zuteil wird, insbesondere, wenn sie sich gegen die Teilnahme an Kriegsverbrechen entscheiden."
Der 36-jährige André Shepherd berief sich mit seinem Ende 2008 gestellten Asylantrag auf die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union, mit der diejenigen geschützt werden sollen, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen. Damit ist das Asylbegehren von André Shepherd ein Präzedenzfall, der europäisches Recht berührt.
André Shepherd war 2004 zur US-Armee gegangen und sechs Monate als Mechaniker für den Apache-Hubschrauber im Irak eingesetzt. Nachdem er zurück zu seiner Einheit nach Katterbach (Bayern) gekommen war, setzte er sich intensiv damit auseinander, wie das US-Militär im Irak gegen die Zivilbevölkerung vorgeht. Schließlich verließ er das Militär und beantragte in Deutschland Asyl. Das Bundesamt für Migration lehnte seinen Asylantrag am 31. März 2011 ab. André Shepherd reichte hiergegen Klage ein.
„Es ist gut zu sehen, dass es in dem Fall endlich weitergeht“, so André Shepherd heute. „Wir hoffen, dass der Europäische Gerichtshof nicht nur den Willen, sondern auch den Mut hat, für das Recht auf Gewissensfreiheit einzustehen. Andere Soldaten brauchen die Gewissheit, dass eine Entscheidung, sich nicht weiter an völkerrechtswidrigen Kriegen oder Verbrechen zu beteiligen, unterstützt wird.“
gez.
Rudi Friedrich, Connection e.V. (069-82375534)
Marei Pelzer, PRO ASYL (069-24231430)
Chris Capps-Schubert, Military Counseling Network e.V.
Connection e.V., PRO ASYL und Military Counseling Network e.V., Pressemitteilung vom 6. September 2013
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