Rundbrief »KDV im Krieg« - April 2017

Rundbrief »KDV im Krieg« - April 2017

Nagorny-Karabach inhaftiert ungerechterweise Kriegsdienstverweigerer

Artur Avanesyan wurde nach 26 Monaten amnestiert

von Zeugen Jehovahs

(12.09.2016) Der 20-jährige Artur Avanesyan verbüßt derzeit eine 30-monatige Haftstrafe im Gefängnis Shushi in Nagorny-Karabach, obwohl er sich bereit erklärt hatte, einen alternativen zivilen Dienst abzuleisten. Die Gerichte Nagorny-Karabachs haben in allen Instanzen sein grundlegendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung abgelehnt.

Artur Avanesyan amnestiert

Am 6. September 2016 haben die Behörden in Nagorny-Karabach aufgrund einer allgemeinen Amnestie den 20-jährigen Kriegsdienstverweigerer Artur Avanesyan aus dem Gefängnis Shushi entlassen. Er hat 26 Monate seiner 30-monatigen Haftstrafe wegen Militärdienstentziehung bereits verbüßt. Ursprünglich hatte er darum gebeten, einen alternativen Dienst ableisten zu können, was ihm die Behörden verwehrten. Der junge Mann ist glücklich nun wieder bei seiner Familie zu sein.

Zeugen Jehovahs: Artur Avanesyan Amnestied and Released from Prison. 12. September 2016. www.jw.org/en/news/legal/by-region/nagorno-karabakh/artur-avanesyan-released-20160912/. Übersetzung: rf.

Avanesyan, Zeuge Jehovah, legte seine strenge moralische Überzeugung dar: „Mein Gewissen erlaubt mir nicht, den Militärdienst abzuleisten. Ich liebe meine Nachbarn und ich will keine Waffen gegen sie erheben oder auch nur lernen sie zu verletzen.“ Weiter erklärt er: „Ich versuche nicht, mich vor meiner bürgerlichen Pflicht zu drücken. Ich habe die Absicht, einen alternativen zivilen Dienst anstatt des Militärdienstes abzuleisten. Das wurde mir aber nicht gestattet.“

Alle Bemühungen zur Ableistung des Alternativen Dienstes durchkreuzt

Am 29. Januar 2014 erhielt Avanesyan eine Vorladung zum Rekrutierungsbüro Askeran in Nagorny-Karabach. Am nächsten Tag stellte er einen Antrag, erläuterte seine Kriegsdienstverweigerung und erklärte seine Bereitschaft einen alternativen zivilen Dienst abzuleisten. Er suchte auch einen Anwalt auf, da er wusste, dass es in Nagorny-Karabach keine Regelung für einen alternativen zivilen Dienst gibt.

Da Avanesyan einen armenischen Reisepass hat, traf sich sein Anwalt mit Vertretern Armeniens wie Nagorny-Karabach. Es schien so, dass Avanesyan gestattet werden könnte, einen alternativen Dienst in Armenien abzuleisten. Um dies umzusetzen, zog er nach Armenien. Am 13. Februar 2014 stellte er beim Rekrutierungsbüro Masis in Armenien einen Antrag zur Ableistung eines alternativen Dienstes.

Die armenische Kommission für den alternativen Dienst meldete sich nie bei Avanesyan, aber am 14. Juli 2014 kam die Polizei nach Yerevan, Armenien, und lud ihn vor in die zentrale Polizeidienststelle, wo bereits Polizisten aus Nagorny-Karabach auf ihn warteten. Sie verhafteten ihn und brachten ihn gegen seinen Willen von Yerevan nach Askeran in Nagorny-Karabach, praktisch eine Auslieferung ohne Verfahren, Gerichtsbeschluss oder andere Formalitäten.

Verhaftung und Verfahren

Der zu dieser Zeit gerade mal 18 Jahre alte Avanesyan verbrachte am 14. Juli 2014 seine erste Nacht im Gefängnis. Bei der am nächsten Tag erfolgenden Vernehmung erfuhr er, dass das Gericht in Nagorny-Karabach einen Haftbefehl ausgestellt und seine Verhaftung angeordnet hatte. Das Gericht bestätigte dies und ließ Herrn Avanesyan in das Gefängnis Shushi überstellen. Alle Anträge gegen die Untersuchungshaft wurden abgewiesen.

Am 30. September 2014 verurteilte Richter Spartak Grigoryan Herrn Avanesyan wegen Militärdienstentziehung zu 30 Monaten Haft. Avanesyan legte Berufung ein, aber sowohl das Berufungsgericht wie auch das Oberste Gericht von Nagorny-Karabach bestätigten die Verurteilung. Er wird bis Januar 2017 in Haft bleiben.

Unbeeindruckt trotz Ungerechtigkeit

Shane Brady, eine seiner RechtsanwältInnen, erklärt: “Herr Avanesyan wurde wegen seiner tiefen religiösen Überzeugungen verhaftet, verfolgt und verurteilt. Trotz der ungerechten Haft, ist er weiterhin entschlossen, fest zu seiner Gewissensentscheidung zu stehen.“ Brady berichtet, dass die Gefängnisleitung Avanesyan nun gestatten würde, seine Bibel und Hilfsmittel zum Bibelstudium zu haben. Ihm sind auch Besuche durch Familienangehörige erlaubt.

Da Avanesyan alle rechtlichen Möglichkeiten im Land ausgeschöpft hat, stellte er einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Er geht von einer positiven Entscheidung aus (auch wenn diese wahrscheinlich erst Monate nach seiner Freilassung ergehen wird, da der EGMR wiederholt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gestützt hat. Im Verfahren Bayatyan gegen Armenien hatte die Große Kammer des Gerichts geurteilt, dass die Kriegsdienstverweigerung Ausfluss des Rechtes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ist. Nachfolgende Urteile des EGMR haben diese Auffassung bestätigt.

Die Urteile des EGMR haben zu einer steigenden Respektierung des grundlegenden Rechts auf Kriegsdienstverweigerung geführt, sogar in Zeiten von Instabilität und Krieg. So hat z.B. im Juni 2015 das Oberste Gericht der Ukraine bestätigt, dass auch in Zeiten der Mobilisierung das Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gültigkeit hat.

Gibt es Hoffnung für Kriegsdienstverweigerer in Nagorny-Karabach?

Die Zeugen Jehovahs in Nagorny-Karabach und auf der ganzen Welt hoffen, dass Nagorny-Karabach die Kriegsdienstverweigerung als grundlegendes Menschenrecht anerkennen wird. Wird die Regierung, statt friedliche junge Männer ins Gefängnis zu stecken, Kriegsdienstverweigerern anbieten, einen alternativen zivilen Dienst abzuleisten? Mit der Anerkennung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung würde Nagorny-Karabach allgemein anerkannten europäischen Standards nachkommen und ihren Respekt vor der ernsthaften Überzeugung junger Männer wie Artur Avanesyan bekunden.

Jehovahs Witnesses: Nagorno-Karabakh Unjustly Imprisons Conscientious Objector. 10. August 2016. www.jw.org/en/news/legal/by-region/nagorno-karabakh/unjustly-imprisons-conscientious-objector/#?insight[search_id]=75677eab-0f65-4c05-b4a2-cd2c68bf311f&insight[search_result_index]=2. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2017.

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