Vor dem Gerichtsgebäude

Vor dem Gerichtsgebäude

Nordzypern: Eine neue Enttäuschung

Kriegsdienstverweigerer Halil Karapaşaoğlu verurteilt

von Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO)

(04.01.2019) Wie EBCO bereits am 2. Januar 2019 berichtete, fand gestern vor dem Militärgericht in Nikosia (Güvenlik Kuvvetleri Mahkemesi) das Verfahren gegen den türkisch-zypriotischen Kriegsdienstverweigerer Halil Karapaşaoğlu statt. Es ging um die vier Mal, in denen er in den letzten Jahren nicht zum Reservedienst bei der Armee der selbsternannten „Türkischen Republik Nordzypern“ erschienen ist. Unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung wurde ihm eine weitere, fünfte Anklage mit dem gleichen Strafvorwurf übergeben.

Der Fall erregte auf beiden Teilen der Insel enorme Aufmerksamkeit. Mehr als 100 Facebook-Video-Beiträge wurden zur Unterstützung von Halil gepostet; ein zypriotischer Abgeordneter bat die Europäische Kommission um eine Stellungnahme zu dieser fortgesetzten Strafverfolgung eines Kriegsdienstverweigerers; Restaurants und Kaffees kündeten an ihren Türen an, die Läden zu schließen, damit die Inhaber an der Verhandlung teilnehmen können. Ein Kriegsdienstverweigerer, der in der Republik Zypern auf die Entscheidung über seinen Antrag wartet, kam in den Norden, um seine Solidarität zu zeigen. Auch die Medien waren präsent.

Im Gerichtssaal für das Verfahren war nur Platz für etwa 30 Unterstützer*innen. Die Staatsanwaltschaft, und dann die Verteidigung, legten ihre Argumente vor, woraufhin der Richter sofort sein Urteil verkündete, das offensichtlich schon vorab abgefasst worden war. Halil Karapaşaoğlu wurde für die vier Anklagen zu 2.000 Türkischen Lira Geldstrafe (etwa 335 €) verurteilt. Ihm wurde eine Frist von 10 Tagen zur Zahlung des Betrages eingeräumt, anderenfalls habe er 20 Tage Gefängnisstrafe zu verbüßen. Die Strafe war geringer als in den vorhergehenden Fällen, bei denen die Verweigerer sofort in  Gewahrsam genommen wurden und die Strafe für jede einzelne „Straftat“ auf 10 Tage festgesetzt worden war. Aber wir hatten auf ein besseres Ergebnis gehofft.

Draußen warteten mehrere Hundert Menschen. Als Halil Karapaşaoğlu auftauchte, erhob sich großer Jubel. Auf den Treppen des Gerichtsgebäudes erklärte er: „Ich werde die Geldstrafe nicht bezahlen. Ich verweigere. In 10 Tagen werde ich zurückkehren und für 20 Tage ins Gefängnis gehen. Wenn ich die Geldstrafe bezahlen würde, hätte das, was ich erreichen will, keine Bedeutung.“ Halil Karapaşaoğlu wies auch darauf hin, dass ein Reservedienst in einer Zeit, in der Menschen aus den beiden Gemeinschaften (griechisch und türkisch-zypriotischen) zusammenfinden und gemeinsam arbeiten, völliger Unsinn ist. „Wenn morgen Krieg sein wird, werden wir als Antimilitaristen nicht kämpfen (…). Im 21. Jahrhundert sehen wir unsere Freunde im Süden nicht als Feinde, wir sehen niemanden auf dieser Welt als Feind an.“

Derek Brett, von EBCO zum Verfahren entsandter Beobachter, zeigte sich im Namen der europäischen Kriegsdienstverweigerer und Antimilitarist*innen enttäuscht über das Verfahren, da die Anklage aufgrund der Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den früheren Fällen von Murat Kanatli und Haluk Selam Tufanli nicht hätte erhoben werden dürfen. Erst kürzlich hätten die Gerichte in Südkorea aufgrund eines Urteils des dortigen Verfassungsgerichts in ähnlichen Fällen die Anklagen fallen gelassen.

European Bureau for Conscientious Objection (EBCO): Press Release, 4. Januar 2019. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2019

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