Kanada: Parlament will US-Deserteuren Asyl geben

Regierung will Beschluss nicht umsetzen

von The Chronicle Herald Canada

John Ward, Ottawa - US-amerikanische Deserteure feierten einen bittersüßen Sieg, als das kanadische Parlament einen Antrag beschloss, der die Regierung unter Harper dazu aufruft, ihnen in Kanada einen Aufenthalt zu gewähren.

Die Oppositionsparteien hatten sich zusammengeschlossen, um die Konservativen zu überstimmen und einen Beschluss anzunehmen, Deserteuren und ihren Familien einen unbefristeten Aufenthaltsstatus zu geben. Aber die Maßnahme, die mit 137 gegen 110 Stimmen beschlossen wurde, ist nicht bindend - und die Regierung beabsichtigt, den Beschluss zu ignorieren.

"Ich hoffe, die Regierung hört auf den Willen der kanadischen Bevölkerung und des Parlaments", sagte Olivia Chow, Abgeordnete der Neuen Demokraten, die den Beschluss eingebracht hatte.

Für ein paar Dutzend ehemalige US-Soldaten und ihre UnterstützerInnen, die die Abstimmung in den Büros der Neuen Demokratischen Partei verfolgten, nährt der fruchtlose Sieg neue Hoffnung. "Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir gewonnen haben", sagte Phil McDowell, ein ehemaliger Feldwebel der US-Armee. "Wir sind guter Hoffnung, dass die Regierung den demokratischen Prozess respektieren wird." McDowell aus Warwick wollte nach einem Jahr Dienst im Irak aus der Armee entlassen werden. Als ihm die Armee mitteilte, dass seine Dienstzeit verlängert werden würde, desertierte er und floh im Oktober 2006 nach Kanada. Er will bleiben, obwohl seine Aussichten trostlos sind, falls es keine Änderung der Regierungspolitik gibt. "Wir glauben, dass die Abstimmung moralisch verpflichtet und es ist ein Ausdruck des Willens des Parlaments. Es dürfte für die Regierung nicht gut sein, sich einer demokratischen Entscheidung zu verweigern."

Es wird geschätzt, dass etwa 200 US-Deserteure nach Kanada gekommen sind, um dem Dienst im Irak zu entgehen. Ihre Anträge, einen Flüchtlingsstatus zu erhalten, wurden von der Einwanderungsbehörde und den Gerichten abgelehnt. Für einige steht die Abschiebung in die USA kurz bevor: mit Militärgerichtsverfahren und möglicherweise Haft.

Das Einwanderungsressort erklärte, es wäre ungerecht, eine besondere Ausnahmeregelung für eine Gruppe von Möchtegerneinwanderern umzusetzen.

Joshua Key, ein ehemaliger Kampfpionier, wartet auf die Entscheidung seines Widerspruches, um in Kanada bleiben zu können. "Ich denke immer noch, dass es ein großer Schritt vorwärts ist", sagte er nach der Abstimmung im Parlament. Key ist wie die anderen enttäuscht über die Ablehnung der kanadischen Gerichte, sich nicht die Schlüsselargumente für ihre Fälle anzuhören. "Wir sind mit einer Hand auf dem Rücken gefesselt, weil wir nicht mit der Illegalität des Irakkrieges argumentieren können, der wie wir alle wissen illegal ist", sagte er. "Aber damit geht es einen Schritt weiter. Ich hoffe, dass es weiter voran geht."

Vor zwei Generationen kamen etwa 50.000 US-Verweigerer nach Kanada, um dem Vietnamkrieg zu entgehen. Sie wurden schließlich willkommen geheißen und erhielten einen unbefristeten Aufenthaltsstatus, der in vielen Fällen zur Übernahme der Staatsbürgerschaft führte.

Gegner der letzten Welle von Antikriegsimmigranten sagen, dass es zu damals einen großen Unterschied gibt. Die geforderte Mannschaftsstärke in Vietnam wurde mittels der Wehrpflicht erfüllt, heute ist aber jeder Soldat ein Freiwilliger.

Während der Parlamentsdebatte der letzten Woche, hatte Laurie Hawn, ein Abgeordneter der Edmonton Tories und ehemaliger Pilot der kanadischen Luftwaffe, dem Antrag wenig Sympathie entgegengebracht: "Für freiwillige Soldaten der Vereinigten Staaten, die Schwierigkeiten mit ihren Aufgaben haben gilt zuallererst, dass sie Soldaten sind, die nicht darüber abzustimmen haben, welche Aufgabe sie zu erfüllen haben. Warum kämpfen sie nicht dagegen in ihrem eigenen Land mit ihrem eigenen Rechtssystem, statt falsche Flüchtlinge in Kanada zu sein?"

Während McDowell und seine Freunde auf einen Sinneswandel bei der kanadischen Regierung hoffen, ist zumindest er bereit, sich damit abzufinden: "Wenn die Regierung entscheidet, mit George Bush aufzustehen und den Irakkrieg zu unterstützen und sich damit gegen den Willen des Parlaments zu stellen, muss ich diese Entscheidung respektieren."

 

siehe auch Kommentar der Quäker Kanada

 

Nachtrag vom 15. Juli 2008: Am 15. Juli 2008 schob die kanadische Regierung den ersten US-Deserteur in die USA ab. Robert Long muss nun mit einem Strafverfahren und einer Verurteilung wegen Desertion rechnen.

 

 


The Chronicle Herald Canada: Commons votes to give asylum to U.S. deserters, 4. Juni 2008. Übersetzung: Rudi Friedrich und Thomas Stiefel. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Juli 2008.

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